Die hitzige Debatte um das Tempolimit auf Autobahnen

  • 2023-01-24
  • Allgemein

Tempolimit als Klimaretter – Einfluss deutlich stärker als erwartet

Erst vor wenigen Tagen wurde die Klage vor das Bundesverfassungsgericht bezüglich des Tempolimits abgewiesen. Die beiden Kläger bezogen sich bei der Nichteinführung eines Tempolimits auf das Zuwiderhandeln des Klimaschutzgebotes und der Freiheitsrechte. 

Nun zeigt sich aber, dass die Auswirkungen einer verbindlichen Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen den CO₂-Ausstoß doch deutlich stärker sänke, als ursprünglich angenommen. Eine hitzige Debatte wird dadurch erneut angefeuert.

 

Deutschland als Rennstrecke

Jeder von uns hat die Diskussion sicher schon ausgetragen und entsprechend gibt es unterschiedliche Meinungen zum allgemeinen Tempolimit auf Autobahnen. Während die einen ohnehin nie schneller als 120 km/h fahren, fühlen sich andere erst ab 180 km/h halbwegs wohl. Da kochen die Gemüter schnell über.  

Umso mehr erregte eine aktuelle Klage die Aufmerksamkeit in den Medien. Denn nachdem die Ampelkoalition eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen abgelehnt hatte, kam es in Karlsruhe zu einer Klage im Namen des Klimaschutzes. Ziel war die Absenkung der CO₂-Emissionen im Verkehr auf das gesetzlich erlaubte Maß durch die Einführung eines Tempolimits. Das sahen die Richter jedoch anders: Es sei nicht ausreichend erwiesen, dass ein Tempolimit für das Erreichen der Klimaschutzziele notwendig sei. 


Neue Studie des Umweltbundesamtes (UBA)

Eine neue Studie des Umweltbundesamts (UBA) hat genau diesen Sachverhalt untersucht. Die Modellierungen zeigen dabei deutlich, dass eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen deutlich mehr klimaschädliches Kohlendioxid einsparen würde als bisher von der Behörde selbst eigentlich angenommen. 

Bei einer Maximalgeschwindigkeit von 120 km/h ließen sich demnach nämlich bis zu 6,7 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente einsparen. Eine frühere Untersuchung des Umweltbundesamtes von 2020 schätzte die Reduktion noch auf lediglich 2,6 Millionen Tonnen. Laut der aktuellen Studie würden die Emissionen jedoch um 4,2 Prozent sinken. 


Warum plötzlich diese Unterschiede?

Beauftragt für die Studie waren Forscher von den Universitäten in Stuttgart und Graz sowie ein Consulting-Unternehmen. Hierbei wurde laut dem UBA die angewandte Methodik überarbeitet. Denn grundsätzlich seien für die alte Studie andere Emissionsfaktoren als Vergleich herangezogen worden. 

Ein weiterer wichtiger Punkt, der bisher außer Acht gelassen wurde, sind dabei aber auch sich ändernde Verhaltensmuster. Denn durch das generelle Tempolimit würden Autobahnen im Vergleich zu Landstraßen deutlich unattraktiver. In der Studie heißt es dazu: „Es wird direkter gefahren, da die Nutzung der Autobahn meist mit längeren Umwegen verbunden ist.“ 

Die somit geänderten Fahrleistungen auf den unterschiedlichen Straßen deuten laut der Forscher auf eine Abnahme von 1,1 Prozent der Autobahnnutzung hin. Auf den anderen Straßen nimmt entsprechend die Fahrleistung von PKW und leichten Nutzfahrzeugen zu. Dies bedingt natürlich einen weiteren Rückgang der CO₂-Emission. 

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die sinkende Attraktivität des Autos. Ein kleiner Teil – Deutschland ist eben eine Autofahrernation – dürfte dann trotzdem die Bahn vorziehen. „Die gesamte Reduzierung der Fahrleistung auf allen Streckentypen beträgt 1,8 Prozent und 2,1 Prozent beim Pkw-Verkehr“, heißt es in der Studie. 


Welche Folgen hat die Verlagerung des Verkehrs?

Was bereits bei der Einführung der LKW-Maut auf deutschen Autobahnen beobachtet wurde, könnte in Zukunft abermals zu einer lokalen Veränderung der Streckennetze zukommen. Denn dort könnten die Mehrbelastungen eine Umgestaltung der Netze für die Verkehrsplaner der Zukunft bedeuten. 

Die veränderten Routen und die geringere Nachfrage resultieren somit in ca. einem Drittel zusätzlich errechneten Einsparpotential. Der übrige Teil kommt entsprechend von der geänderten Methodik.  


Politische Entscheidung trotz weiterer Vorteile

Laut anderen Untersuchungen hätte ein generelles Tempolimit noch weitere positive Effekte. So würde die Zahl der Verkehrstoten und die Lärmbelastung deutlich reduziert. Außerdem würden auch weitere Schadstoffemissionen reduziert, die in der Studie primär keine Beachtung fanden. 

Jedoch bleibt ein Tempolimit auf den Autobahnen – welches in vielen europäischen Ländern bereits Usus ist – aber weiterhin fraglich. Obwohl mittlerweile fast zwei Drittel der Deutschen ein solches begrüßen, scheitert jedes Vorhaben der Einführung auf politischer Ebene. Beispielsweise war eine Einführung des Tempolimits in den Wahlprogrammen der SPD und der Grünen verankert, jedoch stellte sich bei der Bildung der Ampelkoalition die FDP quer. 



Fazit

Nicht nur aus ökologischen Gründen, sondern auch aus ökonomischen Gründen sollten Autofahrer langsamer fahren. Während ich einen deutlichen Rückgang der Raser beobachte, scheint sich aber auch ein Teil der Mitmenschen selbst maßlos zu überschätzen.  

Insgesamt lässt sich aber sagen, dass eine Einführung eines Tempolimits weitreichende Vorteile hätte. Und während gerade noch die Option zur Vernunft gelassen wird, wird es – bei Nichteinhaltung der gesetzten Einsparungen – in Zukunft doch wieder zu Regulierungen kommen. Die Zukunft wird also zeigen, ob die Sportwagen demnächst nur noch auf der Rennstrecke anzutreffen sind. 




Quellen:

https://www.autohaus.de/recht-steuern/urteile/tempolimit-auf-autobahnen-klage-in-karlsruhe-erfolglos-3311640 

https://www.spiegel.de/auto/fahrberichte/tempolimit-wuerde-laut-umweltbundesamt-das-klima-deutlich-staerker-schuetzen-als-gedacht-a-856c710a-2c84-4773-b604-ee4a50f8b35d